WIRKUNGSDRILL: Präzision und Geschwindigkeit im Nahkampf - Trainingstipp vom Bundesheer #07

Autor: Vizeleutnant Gerald Weihs (Hauptlehrunteroffizier und Schießausbilder an der HUAk in Enns)

Im März 2002 erlebte ich als junger Kommandant am Dujle-Pass Kosovo meinen ersten Auslandseinsatz. Unsere österreichische Patrouille, eingesetzt im Rahmen der NATO-Mission KFOR, war mit polizeiähnlichen Aufgaben betraut, als sich die Lage plötzlich zuspitzte: Über Funk erhielten wir die Meldung, dass sich ein Fahrzeug mit einer vermutlich bewaffneten Person in Richtung unseres Kontrollpunkts bewegte.

Ein zweites Beispiel aus der jüngeren Geschichte: Wien, Hietzing, März 2018. Ein 26-jähriger Mann verübte eine Messerattacke auf einen österreichischen Soldaten vor einer diplomatischen Einrichtung des Iran. Der Soldat verteidigte sich erfolgreich, gab mindestens vier Schüsse ab und überlebte mit Schnittwunden, während der Angreifer tödlich verletzt wurde.
(Quelle Kurier, Artikel 12.03.2018)

Beide Beispiele verdeutlichen die brutale Realität, auf die sich schutzgebende Einsatzkräfte vorbereiten müssen.

Diese Szenarien werfen folgende Fragen auf: 

  • Welche Distanzen sind im Nahkampf (z.B. Messerangriff) kritisch bzw. lebensbedrohlich?
  • Wie schnell muss der erste Schuss daher im Ziel sein?
  • Was mache ich, wenn der Treffer keine Wirkung zeigt?

 

Der Wirkungsdrill – Was, wenn der erste Treffer keine Wirkung zeigt?

Der Nahkampf – insbesondere bei einem Messerangriff – ist eine der gefährlichsten Situationen, denen wir uns stellen müssen. Die sogenannte „21-feet-rule“, beschrieben von Henning Hoffmann in „Feuerkampf und Taktik“, besagt, dass ein gesunder, mit einem Messer bewaffneter Mann in nur eineinhalb bis zwei Sekunden eine Distanz von sieben Metern überwinden kann – dieselbe Zeit, die ein durchschnittlich trainierter Schütze benötigt, um seine Waffe zu ziehen und den ersten gezielten Schuss abzugeben.
(Quelle: Hoffmann H., Feuerkampf & Taktik, 4. Aufl., Seite 50, 2011)

Diese Erkenntnis beantwortet für mich die ersten beiden entscheidenden Fragen: eine Distanz unter sieben Meter ist für mich lebensbedrohlich, daher muss der erste Schuss muss in 1-2 Sekunden im Ziel sein. Es ist essenziell, Szenarien niemals nur unter dem Aspekt des Schusswaffeneinsatzes zu betrachten. In militärischen Kontexten sprechen wir von Verhältnismäßigkeit und dem Einsatz gelinderer Mittel. Daher werden auch der Einsatz von Abwehrsprays und Techniken der Selbstverteidigung geübt.

Darüber hinaus lehne ich mich an das 3-D-Prinzip das die Polizei bei Amtshandlungen verfolgt, an. Dieses sieht zunächst den Dialog mit einem potenziellen Aggressor vor, gefolgt von der Deeskalation und in letzter Konsequenz von der Durchsetzung (Anm.: des jeweiligen Auftrages).“

 

Wirkungsdrill – Effektiver Einsatz der Schusswaffe

Wenn es die Situation erfordert, die Schusswaffe einzusetzen, muss der erste Treffer im Brust- oder Oberkörperbereich ein Wirkungstreffer sein. Dieser „Wirkungstreffer“ bedeutet, dass der Gegner kampfunfähig ist. Dies ist von verschiedenen Faktoren, wie z.B. der verwendeten Munition, der Verfassung des Gegners (Drogeneinfluss,…) oder ballistischer Schutzausrüstung (z.B. Verwendung eines „Plattenträgers“) abhängig.
Sollte der erste Treffer nicht die gewünschte Wirkung zeigen, ist es notwendig, den Haltepunkt zu verlegen – beispielsweise von der Brust zur Hüfte.

Die Schießausbildung im Österreichischen Bundesheer spricht dabei vom sogenannten Wirkungsdrill, einer Technik auf kurze Entfernung (5-15 Meter) bei der der Schütze selbstständig seinen Haltepunkt auf einen neuen, z.B. die Hüfte verlegt.

 

Trockentraining des Wirkungsdrills beim Bundesheer

Einen Übungsaufbau im Trockentraining, der diesem Anspruch gerecht wird, möchte ich hier beschreiben. Als Ziel dient eine Scheibe mit einem personifizierten Ziel, hier beispielhaft ein Flintenschütze. Die Solltrefferflächen sind mit den im Bundesheer in Verwendung stehenden Ovalen beklebt, wobei die Waffendarstellung des Gegners ausgeschnitten ist.

HINWEIS: Die Verwendung von personifizierten Zielscheiben im Scharfschießen ist in einigen Ländern und Regionen eingeschränkt. Das Bundesheer ist legitimiert, diese Zielscheiben sowohl im Trockentraining als auch im scharfen Schuss zu verwenden, und nutzt sie hauptsächlich in der Ausbildung von Berufssoldaten.

Zieldarstellung für Wirkungsdrillübung

Bild 1: Zieldarstellung 


Die Dienstwaffe, Pistole 80, aka Glock 17 ist für diesen Aufbau mit dem MantisX10 sowie dem SureStrikeMag von Laser Ammo konfiguriert. Dieser Aufbau ermöglicht ein realitätsnahes Training, da einerseits der Treffpunkt (Laser) im Ziel für den Ausbilder erkennbar ist. Andererseits ermöglicht das Trainingsmagazin dem Schützen eine kontinuierliche Schussabgabe ohne zwischenzeitliches Spannen des Abzuges.

Konfiguration Glock 17 für Wirkungsdrillübung
Bild 2: Konfiguration Glock 17 

Als Übung in der MantisX-App wähle ich „Par-Timer“ und gebe folgende Parameter vor:

  • Der Schütze beginnt in der sogenannten „Low-Ready“ Position (auch als „Sul-Position“ bekannt).
  • Das Startsignal (Buzzer) ertönt mit einer Verzögerung von 1-4 Sekunden.
  • Der Schütze muss sechs Schuss abgeben und hat dafür insgesamt 7 Sekunden Zeit.
  • Als weitere Vorgabe werden je Oval (Oberkörper-Hüfte rechts/links) zwei Treffer, insgesamt sechs, verlangt.
Übungssetting in der MantisX-App für Wirkungsdrill Übung
Bild 3: Übungssetting in der MantisX-App, Übung Par-Timer 

Beispielhaft ist hier ein Ergebnis dargestellt, das zeigt, dass der Schütze in der Lage war, innerhalb von 2 Sekunden den ersten Schuss im Ziel zu landen, das Verlegen des Haltepunktes jeweils rund 1,3 Sekunden dauert und der geforderte zweite Treffer ca. 0,6 Sekunden nach dem ersten im Ziel liegt.

Die Punkteanzahl ist für mich in diesem Setting zweitrangig, da hier der Schnellschuss zählt und der Präzisionsgedanke etwas in den Hintergrund tritt. Nichtsdestotrotz bin ich mit dem Ergebnis dieses Schützen sehr zufrieden.

Ergebnis in MantisX-App bei Wirkungsdrill Übung
Bild 4: Ergebnis

Das Ende der methodischen Fahnenstange ist bei diesem Übungsaufbau noch lange nicht erreicht. So könnte z.B. das personifizierte Ziel anstelle der Ovale mit Zielscheiben aus der Laser Academy Familie überklebt werden, um eine noch genauere Trefferauswertung zu erreichen.

Weiters könnte der trainierende Schütze mit einer körperlichen Vorbelastung in das Szenario gehen, da auch im Einsatzfall der dadurch verursachte Stress einschränkend wirken wird.

Abschließend möchte ich betonen: Die Simulatoren und Trainingsgeräte, welche uns von Andreas Reiter und reproo equipment & training GmbH zur Verfügung gestellt werden, ermöglichen ein einsatzbezogenes Üben, das richtig Spaß macht, innovativ ist und gleichzeitig bei konsequentem Training sehr rasch zum Erfolg führt!

 

Alle Bilder: Gerald Weihs

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Vzlt Gerlad Weihs
Vizeleutnant Gerald Weihs ist Schießausbilder an der österreichischen Heeresunteroffiziersakademie in Enns und Gast-Autor unseres Blogs. Aufgrund seiner Positionen schöpft er aus einem riesigen Erfahrungsschatz, in den er uns mit seinen Beiträgen exklusiven Einblick gibt.

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